Kerb und Kebab (Jan 2015)

20141031_204034_2_small

Am 31. Oktober war es soweit: Die Kerb in Dietzenbach hat begonnen. Ein Haufen gut gelaunter Jungs – die „Kerbborsche“ – ist in den Stadtwald gefahren, um sich ihren Kerbbaum fĂŒr 2014 auszusuchen. Dieser wurde geschmĂŒckt und schließlich neben dem Feuerwehrmuseum aufgestellt. Am Abend des 31. wurde die Kerb dann feierlich eröffnet mit der alljĂ€hrlichen Kerbrede.
Aber was ist eigentlich der Anlass zur Kerb? Hier nun ein kleiner geschichtlicher Exkurs: Die Kerb, auch „Kirchweih“ genannt, wird anlĂ€sslich des Geburtstages (Tag der Fertigstellung) der evangelischen Kirche in der Altstadt gefeiert – 2014 war es der 255. Geburtstag. Das Kirchweihfest findet am letzten Oktoberwochenende statt, beginnt freitags mit der Kerbansprache“ und endet dienstagabends mit der „Grabrede“. Bei der Grabrede wird die „Kerbbobb“ verbrannt. Das ist eine Strohpuppe, die von den Kerbborschen gebaut wird und seinen Platz hoch oben in der Krone des eingangs erwĂ€hnten Kerbbaumes findet. Am letzten Tag wird sie zu Grabe getragen und verbrannt. Mit der Bobb geht auch die Kerb zu Ende.
Ich möchte mich in diesem Artikel nun kurz fassen, denn die komplette Tradition der Dietzenbacher Kerb nimmt dann doch zu viel Platz weg. Einen Punkt möchte ich noch erwĂ€hnen: Die Kneiptour der Borschen. Diese findet am Kerbsamstag statt. Die Jungs ĂŒberlegen sich eine Route, um möglichst vielen GaststĂ€tten in der Stadt einen Besuch abzustatten. WĂ€hrend sie um die HĂ€user ziehen, singen sie lauthals traditionelle Lieder, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. In diesem Jahr hatten die Buben einen sehr begeisterten Zuhörer: Den Besitzer der „Goldgrube“. Er stand gerade vor seinem Eingang, als der Haufen Leute singend an ihm vorbei in die benachbarte Kneipe einziehen wollte. Mit großen Augen aber sperrte er seine TĂŒr weit auf und lotste den fröhlichen Trupp hinein. Die GĂ€ste hielten inne, drehten die Köpfe und waren sichtlich angetan von dem unbekannten bunten Treiben. Der Ladenbesitzer verlangte eine Zugabe nach der anderen und spendierte jedem Durchreisenden ein Bier. Es war ein Spektakel. Als wĂŒrden zwei Welten aufeinanderprallen, sich dabei jedoch bestens miteinander verstehen.
Ich persönlich war zunĂ€chst skeptisch. Die Kerbborschen mochten so gar nicht in das Bild dieses Etablissements passen. Aber man wurde mit weit ausgebreiteten Armen – auch von den GĂ€sten – empfangen und sogar Fotos wurden geschossen
und gefilmt. Ich war mal auf eine iranisch-tĂŒrkische Hochzeit eingeladen. Das hat in mir wahrscheinlich denselben Effekt ausgelöst.

Lisa Sundt

Quelle: DIEtZEITUNG 3. Ausgabe 2014