Notizbuch der Woche (2005)

Notizbuch der Woche

Es welken alle BlÀtter

OP 20051029 1 1

Von Christoph Zöllner

Was du heute kannst besorgen. das verschiebe ruhig auf morgen. Getreu diesem Motto sind die Stadtverordneten in den vergangenen Jahren mit dem Thema Sanierungen umgegangen. Wenn’s Geld im SĂ€ckel fehlt, lĂ€sst sich eine millionenschwere Investition mit umso ruhigererm Gewissen schieben. So geschehen beim Schwimmbad (das trotz zahlloser Pannen noch jede Saison seine Pforten geöffnet hat), bei der Gottlieb-Daimler-Straße (ĂŒber die trotz Schlaglöchern und Rissen noch immer Lastwagen holpern) und beim Rathaus (in dem trotz defekter BelĂŒftung und undichter Stellen noch immer Menschen arbeiten). Doch irgendwann ist eine Grenze ĂŒberschritten, greifen Auflagen und beschwören Handlungszwang. Plötzlich muss alles ganz schnell gehen, Grundsatzentscheidungen des Parlarnentes sind gefragter denn je. So etwa im „Fall Rathaus“. Was soil mit dem in die Jahre gekommenen Bau geschehen? Lohnt sich eine Sanierung ĂŒberhaupt noch? Ein Abriss und Neubau an gleicher oder anderer Stelle wĂ€re dem WĂ€hler sicherlich schwer zu verkaufen. Allerdings könnte ein Neubau auf Dauer preisgĂŒnstiger sein als das permanente Investieren in ein Fass ohne Boden. Es wĂ€re ein spĂ€ter Triumph fĂŒr Ex-KĂ€mmerer Manfred Hendel, der einen Rathaus-Neubau noch vor der Kreishaus-Ansiedlung zwecks Nutzung von Synergie-Effekten angeregt hatte. Damals war die Zeit noch nicht reif fĂŒr einen solch mutigen Schritt. Ist sie es jetzt, wenige Monate vor der Kommunalwahl? Rechner mit spitzen Bleistiften sind gefragt…

Was ist ein BĂŒrgerbudget? Mit dieser Frage sah sich der Kolumnist am Donnerstagabend kurz vor Andruck konfrontiert, nachdem eine Mitarbeiterin die erste Dietzenbach-Seite gegengelesen hatte. Nun ja. Zwei PĂŒnktchen fehlten in der Überschrift. In dem Artikel ging es nicht etwa um das Kleingeld. das fĂŒr den Erwerb eines zwischen zwei BrötchenhĂ€lften liegenden Fleischklopses in einem der beiden Dietzenbacher Fast-Food-Restaurants nötig ist, sondern um das von BĂŒrgermeister Stephan Gieseler neu servierte BĂŒrgerbudget 2006/2007. Zugegeben: Beides ist mitunter schwer verdaulich. Zumindest der SPD war die erste Auflage des Haushalts-AufklĂ€rungswerkes ĂŒbel aufgestoßen. Einige Zahlen waren offenkundig falsch, worauf das auf Transparenz angelegte Zahlenwerk zurĂŒckgezogen werden musste. Versehentlich soll die unkorrigierte Fassung gedruckt worden sein. Peinlich. Nun liegt die zweite Au?age im Rathaus und im BĂŒrgerservice am Stadtbrunnen aus. Sie ist ĂŒbrigens daran zu erkennen, dass Gieselers Konterfei ausgetauscht wurde: In der alten Fassung noch am Schreibtisch sitzend, steht er nun vor einem BĂŒcherregal in dem – wie könnte es bei einem Juristen anders sein – neben anderen dicken WĂ€lzern ein BGB steckt. Trotz des Fehlstarts: GrundsĂ€tzlich ist das BĂŒrgerbudget eine prima Idee. Freilich wird der Inhalt nicht jedem schmecken und so manche GebĂŒhr im dicken Halse stecken bleiben…

Welches Wort besteht zur HĂ€lfte aus dem Buchstaben B? Na klar: Kerbbobb. FĂŒr AnhĂ€nger des Hochdeutschen lautet die Übersetzung „Kirchweihpuppe“. Eine Figur, mit deren gar traurigem Schicksal niemand tauschen möchte. Oder wollen Sie etwa „Lumbesack“ – dafĂŒr brauchts keinen Blick ins Wörterbuch – genannt, an einen Baum gebunden und – das dicke Ende kommt erst noch – verbrannt werden? Naja.
KerbbrĂ€uche sind eben nichts fĂŒr sensible GemĂŒter. Umso schöner, dass sich erstmals seit vielen Jahren wieder junge MĂ€nner gefunden haben, die mit ihrer ganz speziellen Variante eines Trink(born)festes ein schönes StĂŒck Dietzenbach am Leben halten. Bei der 251. Auflage der Kirchweih, die ob der sommerlichen Temperaturen zur heißesten aller Zeiten avancieren dĂŒrfte, werden sie das alte Kerblied schmettern: „Es welken alle BlĂ€tter, sie fallen alle ab, uff die Kerb…“.

 

Quelle: Offenbach Post 29.10.2005